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  1. Sep 2020
    1. Ihre Beobachtungen zu Tanztheater und Performance sind sehr aufschlussreich. In einem Aufsatz haben sie mal Marina Abramo­vićs Schmerzperformances als »Verklärung der Wurzeln der Vernunft« und als »Regression auf ­einen idealisierten Zustand vor der Genese der Rationalität« ­kritisiert, weil Abramović mit falscher Unmittelbarkeit am Körper den Naturzwang des Menschen wieder beschwört. Nicht nur deshalb. Die esoterische Selbstfindung und Selbstreinigung in ihren Performanceworkshops ist ideologisch aufgeladen. So wie ich es sehe, neigt sie zur Konventionalisierung des Extremen. Da sind oft Tabubrüche Triebfeder des Neuen. Der Performancekunst stehe ich allgemein kritisch gegenüber. Nicht nur Abra­mović verwechselt Nacktheit, Obszönität und Selbstverletzungen als Schocks mit Formbildung in der Kunst. Als ob das ein Publikum automatisch zu mehr sinnlicher Erfahrungsfähigkeit führte, wenn man am Körper ihre Sehgewohnheiten und moralischen Leitlinien bricht. Performance ist da näher an der Kulturindustrie und deren Formen der Erzeugung von Effekten als an ­situativer Reflexion von Erfahrung.